Raus aus der Wegwerfgesellschaft: Der Hochrhein wird Vorbildregion

Müll. Kaum ein Wort klingt so unromantisch – und doch erzählt es viel über eine Gesellschaft: Wie sie konsumiert, wie sie Verantwortung übernimmt, wie sie ihre Zukunft denkt. Am Hochrhein – zwischen Dogern, Bad Säckingen, Büsingen und Waldshut – wächst gerade eine leise, aber wirksame Bewegung.

Es sind kleine Gruppen, kluge Köpfe und kommunale Projekte, die sich der Frage stellen: Wie schaffen wir eine Region, die nicht nur sauberer, sondern auch klüger mit ihren Ressourcen umgeht?

Was wie eine lokale Geschichte klingt, ist in Wahrheit ein Blick in die nachhaltige Zukunft.

Mitten ins Herz der Sache: Bildung beginnt am Müllfriedhof

„Papa, was passiert eigentlich mit dem Müll nach der Tonne?“ – Diese scheinbar harmlose Frage aus Kindermund brachte den Grundschüler Jonas aus Waldshut auf eine Idee: Gemeinsam mit seiner Klasse baute er im Rahmen eines BUND-Projekts einen sogenannten Müllfriedhof. Alte Joghurtbecher, Tetra Paks, Bonbonpapiere – sortiert nach ihrer Verrottungsdauer und Herkunft – wurden wie Grabsteine beschriftet: „Zersetzt sich in 450 Jahren“.

Das Projekt gehört zu einer Bildungsoffensive des BUND Südbaden, die Schülern zwischen 8 und 14 Jahren die ökologischen Auswirkungen ihres Alltags näherbringen will – ohne Schuldgefühle, aber mit Aha‑Momenten.

Der Clou: Nicht der Verzicht steht im Mittelpunkt, sondern das Verstehen. Und das verändert Verhalten – auch zuhause.

„Plastikfrei in Küssaberg“: Ein Stammtisch wird zur Bewegung

Was als loser Abend unter Freunden begann, ist heute eine wachsende Initiative. Die Gruppe „Plastikfrei in Küssaberg“ organisiert Müllsammelaktionen am Rhein, betreibt Aufklärungsarbeit in Schulen und veranstaltet kreative Workshops: Von Bienenwachstuch‑Basteln bis Kosmetik ohne Mikroplastik.

„Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir es nicht perfekt machen – nur gemeinsam.“

Mitglied von „Plastikfrei Küssaberg“

Die Mitglieder sind keine Aktivisten im klassischen Sinne – sondern Mütter, Lehrer, Rentner, Handwerker. Menschen, die irgendwann nicht mehr wegschauen wollten. „Wir wissen, dass wir nicht die Welt retten – aber vielleicht retten wir ein paar Meter Ufer, und das reicht für den Anfang“, sagt Initiatorin Miriam Krug.

Retten statt Wegwerfen: Der Fairteiler in Bad Säckingen

Jeden Freitag öffnet in einem unscheinbaren Nebeneingang der Stadthalle Bad Säckingen ein Kühlschrank. Drinnen: Brokkoli, der zu krumm ist fürs Regal. Joghurts mit gestrigem Datum. Brötchen, die niemand mehr gekauft hat. Daneben ein Schild: „Nimm, was du brauchst – gib, was du kannst.“

Der sogenannte Fairteiler ist Teil der deutschlandweiten „Foodsharing“-Bewegung und wird lokal durch Ehrenamtliche betreut. Sie holen Lebensmittel von Bäckereien, Biohöfen und Supermärkten ab – und stellen sie der Öffentlichkeit zur Verfügung. Kostenlos. Bedingungslos.

Es ist gelebte Nachhaltigkeit, die nicht nur Müll reduziert, sondern auch soziale Wärme verbreitet.

Green Hospital Waldshut: Beton trifft Bewusstsein

Ein Neubau mit Photovoltaik, Geothermie und natürlicher Lüftung klingt wie Zukunftsmusik. Doch in Waldshut ist es bald Realität. Der Landkreis plant das neue Klinikum Hochrhein als sogenanntes „Green Hospital“ – mit recycelbaren Baustoffen, Wärmepumpen, Dachbegrünung und einer CO₂-Bilanz auf Klinikniveau, die bundesweit Maßstäbe setzen könnte.

Neben ökologischen Standards fließt auch der Gedanke der Kreislaufwirtschaft in die Planung: Trennbare Materialien, optimierte Logistikwege, regionale Lieferketten.

Ein Krankenhaus, das heilt – auch ökologisch.

Wärme ohne Kompromisse: Das Bioenergiedorf Büsingen

Büsingen, die deutsche Exklave mitten in der Schweiz, war schon immer ein Sonderfall. Nun auch energetisch: Als eine der ersten Gemeinden am Hochrhein versorgt sie sich zu 100 % mit regionaler Bioenergie. Der Ort nutzt Hackschnitzel aus umliegenden Forsten, kombiniert mit Solarthermie und Pufferspeichern – ganz ohne fossile Brennstoffe.

Bemerkenswert: Das Projekt kommt ohne EEG‑Subventionen aus. Und zeigt damit: Klimaschutz funktioniert auch jenseits der Großstadt – und jenseits von Förderprogrammen.

Was der Hochrhein daraus macht

Zwischen Rheinfall und Schwarzwald wird Nachhaltigkeit nicht als Schlagwort verstanden, sondern als gelebte Praxis im Alltag. Es sind die Kinder mit ihren Mini-Müllfriedhöfen. Die Senioren, die Plastiktüten gegen Stoffbeutel tauschen. Die Kommunen, die beim Krankenhausbau über CO₂ nachdenken.

Und es sind wir alle, die entscheiden, ob diese Region eine sein wird, in der Nachhaltigkeit nicht nur gedacht, sondern auch gemacht wird.

Kommentare

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    Am Hochrhein bremsen zurückhaltende Investitionen das wirtschaftliche Wachstum.

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